Wir können nicht immer das Papier wählen, auf dem wir schreiben, aber wir können entscheiden, welche Form die Geschichte bekommt.
Wenn wir Eltern werden, erleben wir eine tiefgreifende Transition und Transformation. Unsere Kinder bringen Dinge in uns zum Vorschein, von denen wir nicht einmal wussten, dass sie da sind. Plötzlich erleben wir die höchsten Höhen und die tiefsten Tiefen. Wir werden stark mit uns selbst konfrontiert, mit unserer Vergangenheit, mit offenen und unverarbeiteten Verletzungen. Sich dem zu stellen, die alten Wunden zu begutachten und zu verarbeiten, ist eine wahnsinnig große Herausforderung. Manchmal scheinen wir daran zu zerbrechen. In Wahrheit wachsen wir daran. Und wie die Schlange, die sich häutet, ist auch dieser Wachstumsprozess nicht ohne Schmerzen.
Meine Kinder sorgen letztendlich dafür, dass ich ein anderer, besserer Mensch werde. Nicht, dass ich vorher schlecht war oder irgendwann vollkommen sein werde. Denn das sind wir bereits von Anfang an. Aber Verletzungen und Erfahrungen, gesellschaftliche Einflüsse und Ängste legen sich irgendwann darüber und lassen uns vergessen, wer wir wirklich sind und wozu wir hier sind.
Falsch verstandene Bedürfnisorientierung
So kam es auch, dass ich trotz Entwicklung durch meine Kinder immer unglücklicher wurde. Ich folgte vielen Impulsen, andere Wege mit meinen Kindern zu gehen und damit lief ich gut. Aber gleichzeitig blieb ich dabei auf der Strecke. Die Kinder wurden zum Dreh- und Angelpunkt meines Lebens. Alles war auf sie ausgerichtet. Es gab keinen Raum mehr für mich als Frau, Mensch, Partnerin, Arbeitende. Als Ehepaar mit Kindern erschafften wir uns ein Familiensystem, in dem es nur noch um die Kinder ging. Wenn den Kindern etwas nicht gefiel, oder doof für sie war, dann taten wir es nicht. Egal, ob es mir oder uns wichtig gewesen wäre. Ich geriet in völligen Mangel. Mein ganzes Leben wurde plötzlich schwer und anstrengend. Ich verlor Energie, Lebendigkeit, Zuversicht und das Gefühl, die Herausforderungen des Lebens bewältigen zu können.
Mit der Corona-Pandemie und den Lockdowns kam die Erkenntnis: Ich bin sehr gerne Mama, ich bin gerne für meine Kinder da. Aber ich kann das nicht nur ausschließlich machen. Ich muss mich auch in anderen Lebensbereichen wiederfinden und mit mir in Kontakt kommen. Ich entschied mich für eine Coaching-Ausbildung mit dem Ziel der Selbständigkeit als Coach und Ernährungsberater.
Durch die Angst gehen: Trennung als Neuanfang
Die Coaching-Ausbildung war tiefgreifend. Es ging nicht darum, wie ich anderen Menschen helfen könne, sondern es ging in erster Linie darum, mich selbst zu coachen. Und dazu gehörte, mich selbst kennenzulernen. Nie zuvor habe ich mich so intensiv mit mir selbst beschäftigt. Ich lernte auch, einen besseren Zugang zu mir, meinen Bedürfnissen, Wünschen und kühnsten Träumen zu finden. Und dann spitzte sich mein Leben zu. Ich traute mich plötzlich aus meinem Kokon und fing an, für mich zu gehen. Ich ging auf Menschen zu, die ich spannend fand und gerne kennenlernen wollte. Ich fing einen Tanzkurs an. Ich meldete mich zu einem Kurs für bedürfnisorientierte Elternschaft an. Mit dem Tanzkurs erfuhr ich eine völlig neue Energie in meinem Leben. Ich lernte in der ganzen Zeit Menschen kennen, die mir neue Sichtweisen aufzeigten.
Nach fast zwei Jahren der Coaching-Ausbildung kam ich am Tiefpunkt meines Lebens an. Ich gestand mir ein, wie groß mein Mangel in der Partnerschaft war und wie sich das auf mein ganzes Leben auswirkte. Danach erlebte ich einen der schwierigsten Abschnitte meines Lebens. Ich entschied mich zur Trennung von meinem damaligen Mann. Ich tat das aus einem inneren Ruf heraus. Mein Kopf und auch mein Herz sagten mir ständig “Ich kann das nicht.”, “Ich schaffe das nicht”. Ein kleiner innerer Funke in mir ließ mich jedoch weiter gehen. Schritt. für. Schritt. Und mit jedem noch so kleinen Schritt, im Schneckentempo machte ich die Erfahrung, dass ich noch lebte. Und dass auch mit vielen Schritten eine Last von mir abfiel. Es folgte ein Auf und Ab von Gefühlen: Trauer, Erleichterung, Schuld und Schamgefühle, Freude über alles neu gewonnene.
Und Schritt für Schritt habe ich auch das überwunden und bin fein mit meinem Weg. Und seitdem wachse ich täglich weiter. Will noch höher hinaus. Weiß, dass ich erst am Anfang bin.
Ich möchte andere Menschen ermutigen und darin begleiten, für sich und ihr Glück zu gehen: Raus zu kommen aus der Energielosigkeit, dem Mangel und wieder in eine selbstermächtigende Rolle und der Regisseur ihres Lebens zu werden. Denn das sind wir. Wir allein schreiben unsere Geschichte. Wir können nicht immer das Papier wählen, auf dem wir schreiben, aber wir können entscheiden, welche Form die Geschichte bekommt.
Zur Autorin:
Sabrina Niedermaier ist Ernährungswissenschaftlerin und Life Trust Coach, Mutter von zwei Kindern und Partnerin. Sie lebt dafür, Menschen in ihren Lebensprozessen zu begleiten. Die Methoden sind getragen von einem ganzheitlichen Ansatz, der den Menschen immer in all seinen Facetten betrachtet. Krankheiten werden als Sprache der Seele verstanden, die etwas zum Ausdruck bringen möchte. In ihren Coachingräumen bietet sie Raum für Begegnungen mit sich selbst und zum Wiedererlangen der Selbstwirksamkeit im eigenen Leben.