[Gastbeitrag] Als Hochsensible im Dreibettzimmer

Wie ich gelernt habe gesunde Grenzen zu setzen, auch wenn ich mir damit nicht immer Freunde mache

Gerade bin ich in einer Klinik für Naturheilkunde. Und bin dort an vielen Stellen wieder in meiner hochsensiblen Ader getriggert. Denn ich muss in einem 3-Bettzimmer übernachten. Alles andere hätte horrende Zusatzkosten mit sich gebracht, die ich nicht aufbringen wollte.

 

Schon im Vorfeld hab ich mir darum die meisten Gedanken gemacht. Wie soll das nur gehen, mit 2 weiteren Energien im Raum und wenn beide vllt nicht so sensibel und umsichtig sind, wie ich? Laute Geräusche machen, ggf. schnarchen, stark nach Parfum riechen oder sogar schlimmer? 

 

Ich wohne allein, und das nicht ohne Grund. Meine Wohnung ist mein Rückzugsort, mein Refugium, meine kleine Ruhe Oase. Wenn ich die Tür schließe, fühl ich mich geborgen und sicher. Niemand, der mit mir reden will, mit dem ich jetzt irgendwas klären müsste. Niemand, dessen Energie die meine kreuzt. Nur himmlische Ruhe.

 

Außerhalb meiner Wohnung muss ich Kompromisse schließen, so wie wahrscheinlich jede*r, ob nun hochsensibel oder nicht. 

 

Zurück zur Klinik: Eine meiner Bettnachbarinnen ist schwerhörig. Außerdem nen bissl grobmotorisch und Fersenläuferin. Man hört sie also deutlich. Geht sie nachts zur Toilette, bin ich wach. Sie kann nichts wirklich leise machen, weder nachts noch am Tage. Da wird die Schublade ihres Nachtschränkchens aufgezogen und unzählige Male irgendwas gesucht. Und jedes Teil in der Schublade kratzt auf dem Plastikboden entlang. Da wird das Wasserglas auf den Tisch geknallt und minutenlang in Tüten gekramt. Ihr Handy hat nervige Tastentöne und sie tippt sehr, sehr langsam. Und mit jedem Buchstaben, den sie eintippt, macht es klick, klick, klick. Selbst die Tür zum Bad macht sie laut auf. Und sie schnarcht. Es wäre zum Verzweifeln, wenn ich nicht gerade sehr, sehr entspannt wäre und wir beide nicht sonst so viel Spaß zusammen hätten.

 

Hatte ich schon erwähnt, dass ich all das wahrnehme, obwohl ich nachts Ohropax und eine Schlafbrille trage? Sie selbst hört das alles nicht, sie ist ja schwerhörig. Und sie kann ja auch nichts dafür, dass ich so sehr sensibel auf alles reagiere. 

 

Hochsensibel zu sein, wenn man sich gleichzeitig gern mit Menschen umgibt und in einer Großstadt wohnt, ist eine ziemliche Herausforderung. Ich liebe zum Beispiel eigentlich Restaurantbesuche. Das Zusammensitzen mit Freunden, das Austauschen, lachen, die Gesellschaft, das gute Essen und die netten Kellner. Es ist ein kleines Stück vom Glück und hat urbanes Flair. 

 

Auf der anderen Seite sind da die vielen anderen Menschen in einem Restaurant. Die Familie mit nörgelnden Kindern hinter mir, die laut lachende Mädelsrunde, die ihren Abend genießen, der runde Geburtstag, der 2 Tische weiter gefeiert wird. Da kann ein Restaurantbesuch schon mal schlauchen. Am liebsten ist es mir im Sommer, wenn wir draußen sitzen können. Da stauen sich dann die Geräusche nicht so.

 

Ich bin eindeutig jemand, die gute Gesellschaft schätzt und genießt. Ich singe in einem großen Chor, nehme an Nähkränzchen mit 10 weiteren schnatternden Frauen und surrenden Nähmaschinen teil und geh auch gern mal tanzen. Ich teile mir solche Events jedoch ganz genau ein. Und meide jene, bei denen ich schon vorher weiß, dass sie mich stark stressen werden. Denn das hab ich über die Jahre gelernt. Mich selbst nicht zu vielen Reizen nacheinander und gleichzeitig auszusetzen. Wenn ich nähe, näh ich. Wenn ich singe, sing ich. Wenn ich tanze, tanz ich. Und versuche nicht, mich dabei noch zu unterhalten. 

 

Abgrenzung is key! Auch wenn ich das lange lernen musste, aber ich habe gelernt gesunde Grenzen zu setzen. Ich sage Leuten, wenn ich nicht reden will, auch wenn ich sie noch nicht lange kenne. Ich sage ihnen, dass ich nicht Melli genannt werden will, auch wenn sie immer komisch gucken. Ich stehe in der Bahn auf und wechsle den Platz, wenn neben mir jemand ein stark riechendes Parfum trägt. Oder die Straßenseite, wenn jemand vor mir raucht. Das Gleiche gilt, wenn jemand lautstark telefoniert, im schlimmsten Fall sogar mit Lautsprecher. Von außen mag das manchmal egozentrisch wirken oder unhöflich. Für mich ist das reine Selbstfürsorge und ein Überlebensinstinkt, den ich mir mühsam erobert habe, trotz aller Normen und den mir anerzogenen „Regeln des mitmenschlichen Umgangs“. Wenn jede*r für sich selbst sorgt (und trotzdem auch links und rechts schaut), ist für alle gesorgt. 

 

Was ich nun mit meiner Bettnachbarin mache? Ein paar Dinge spreche ich liebevoll an, denn die Gute ist durchaus kritik- und lernfähig und mit ihrer Art über sich selbst zu lachen extrem liebenswert. Andere werde ich die letzten 24 Stunden bis zu meiner Entlassung wohl noch aushalten können, denn ich erwarte nicht, dass sie sich grundlegend ändert. Das wäre ja auch anmaßend. Und gleichzeitig weiß ich, dass es Menschen gibt, sie eingeschlossen, die dankbar darüber sind, wenn man sie auf kleine Dinge aufmerksam macht, die sie selbst so gar nicht bemerken. Wichtig ist immer die richtige Art der Kommunikation dabei. Wertschätzend, liebevoll und in Ich-Botschaften. Denn wir haben alle unsere Gründe dafür, dass wir so sind, wie wir sind. Niemand ist falsch. Weder auf dieser Welt noch in seinem Sein.

 

Und ihre Tastentöne? Die hab ich vor zwei Tagen schon heimlich ausgestellt, als sie mich zu ihrem Handy etwas ganz anderes gefragt hatte. Hat sie nicht bemerkt, sie hört sie ja eh nicht. Und ich habe zumindest ein wenig mehr Ruhe. 

 

In diesem Sinne, hab einen schönen und entspannten Tag.

 

Deine Melanie

 


Melanie ist systemische Coachin und Massagetherapeutin für all die schönen, starken und hochsensiblen Frauen da draußen. Sie unterstützt dich dabei, dich in dieser schnelllebigen, lauten und hektischen Welt zu entfalten und nicht unterzugehen. Denn du bist, wer du bist, und nicht, was du tust. 

Melanie gibt dir Raum. Denn ein bisschen Zeit und jemanden, der dich begleitet und im richtigen Moment die richtigen Anstöße gibt und Fragen stellt, ist alles, was es braucht, um ein Problem zu lösen, das du vielleicht schon lange mit dir herumträgst. Und alles Weitere liegt absolut in deiner Hand.

(Entdecke mehr auf Melanie’s Website: www.melanie-lange.de)

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